Der designierte FERMA-Präsident erläutert, wie er die Zukunft mit einer Prise Digitalisierung und Blick auf die nächste Generation angehen will

Dirk Wegener, vom GVNW, wird Präsident der Federation of European Risk Management Associations (FERMA) im November . Bis dahin investiert er seine Energie in das Ferma-Forum 2019 in Berlin, dessen Programm-Komitee er führt. „Das passiert aktuell. Ich trete erst am Ende des Forums das Amt als Präsident an, aber das Thema des Forums, Aim for the future: entering a new dimension of risk, ist ein gutes Statement meiner Ideen für mein Mandat als Präsident”, sagt Wegener.

Der Ferma-Präsident entwirft eine Vision und legt Prioritäten für den Vorstand fest. Das Erreichen dieser Ziele ist, laut Wegener, Teamarbeit. „Ferma hat glücklicherweise einen starken Vorstand diverser, erfahrener, fachlich qualifizierter und engagierter Mitglieder”, sagt er. Ein kollegialer Stil passt gut um den Dachverband der Risikomanagement-Vereinigungen Europas zu führen, der die Interessen von 21 Risikomanagement-Vereinigungen aus 20 Ländern vertritt. Die Mitglieder reichen von kleinen, ehrenamtlichen Organisationen, bis hin zu großen Vereinigungen mit guten Ressourcen, die ihre eigenen jährlichen Konferenzen abhalten. Insgesamt haben sie nahezu 5000 einzelne Mitglieder.

Wegener ist eines davon. Hauptberuflich arbeitet er als globaler Leiter des Bereichs Unternehmensversicherung bei der Deutsche Bank Gruppe. Um die Verantwortung dieses Jobs zu verdeutlichen: die global tätige Universalbank mit Sitz in Frankfurt, generierte 2018 einen Gewinn vor Steuern von 1,3 Milliarden € aus Erträgen von 25,3 Milliarden €.

Wegener begann seine Karriere in der deutschen Versicherungsbranche und wechselte dann ins Risikomanagement, zunächst bei der Daimler Gruppe und dann ab 2012 bei der Deutschen Bank. Wenn man ihn zu den Erfahrungen befragt, die ihn als Risikofachmann geprägt haben, wird er schnell in die Nullerjahre zurückversetzt. „Ich bin alt genug, um zur 9/11-Generation zu gehören. Dies war in Bezug auf die Risikolandschaft ein Paradigmenwechsel”, sagt er.

Wegener war in dem Moment, als die entführten Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Center flogen, an seinem Schreibtisch im Büro von Daimler in Stuttgart. „Wir alle erinnern uns daran wo wir waren, und was wir taten. Ich arbeitete als Manager für den Bereich Versicherung und versicherbare Risiken für Daimler. Wir hatten Geschäftskontakte in den USA, Verbindungen nach New York. Aus persönlicher Sicht war es eine Tragödie. Und wenn Sie es aus der professionellen Perspektive betrachten, war es eine neue Risikodimension. Der Schweregrad des Ereignisses war ohne Präzedenz. Sie können es als schwarzen Schwan betrachten, eine unbekannte Unbekannte. Seither können Risikomanager in Bezug auf potenzielle Gefährdungen nicht groß genug denken”, sagt er.

Prägende Ereignisse

Die Terroranschläge haben Wegener gezeigt, wie verletzlich Versicherungsunternehmen und die Versicherungsbranche insgesamt solchen Ereignissen gegenüber sein können. „Es war einer der größten versicherten Schäden aller Zeiten, und ein Schock für die Branche. Die globale Versicherungsbranche hat als System zum Abfangen des finanziellen Schadens eines solchen Ereignisses überlebt, aber sie musste sich anpassen. Was wir im Anschluss daran sahen, waren Ausschlüsse für Terrorismus bei traditionellen Versicherungspolicen und die Ausweitung der von Regierungen unterstützten Versicherungslösungen für Terrorismusrisiken”, sagt er.

Die Ereignisse haben Wegeners Risikophilosophie grundlegend verändert und die Art und Weise wie er über Risiko und Versicherung denkt neu definiert. „Das war eine neue Dimension. Sie brachte das Bewusstsein zutage, dass Entwicklungen in der Risikolandschaft sehr schwierig vorherzusehen sind. Denken Sie nur an den Klimawandel. Wir tun uns schwer, uns den vollen Umfang dessen vorzustellen, was in Bezug auf extreme Wetterereignisse passieren kann. Es sollte uns alle daran erinnern, zukünftige Entwicklungen nicht zu unterschätzen. Seit 9/11 ist glasklar, dass es immer einige unbekannte Unbekannte geben wird. Man musseinfach akzeptieren, dass man nicht alles prognostizieren kann”, sagt Wegener.

Die Einführung von Solvenz-II erwies sich als das andere signifikante Ereignis in seiner Karriere und sein Risikoverständnis. „Die Regulierung von Captives unter Solvenz-II war ein entscheidendes Ereignis für jene, die eine konzern- oder firmeneigene Versicherungsgesellschaft betreiben. Es ist nicht zu leugnen, dass dies zu einer größeren, risikozentrierten Professionalität beim Captive-Management geführt hat, als dies zuvor üblich war”, sagt er. „Dies wiederum hat es dann auch Ferma ermöglicht, sich bei unseren Gesprächen mit der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über Base Erosion und Profit Shiftining (BEPS)auf den Risikomanagementwert von Captives zu konzentrieren..

Maßgeschneiderte Unterstützung

Wegeners Plan für Ferma während seiner Amtszeit ist es, auf der Arbeit seines Vorgängers Jo Willaert aufzubauen, der im November nach vier Jahren als Präsident zurücktritt. Als Vorstandsmitglied war Wegener bereits Teil des Teams, das die gegenwärtigen Arbeitsthemen verantwortet hat, und er freut sich darauf als neuer Präsident weitere Projekte zu entwickeln, insbesondere in Bezug auf die Digitalisierung des Berufsstandes.

Er bezeichnet die Lobbyarbeit im Namen der Mitglieder als Kernaufgabe von Ferma. „Wir haben bereits ein Manifest dargelegt – ein Dokument mit den Prioritäten für die Mandatsträger in den EU-Institutionen für die aktuelle Wahlperiode (2019-2024). Nachhaltige Wirtschaft, digitale Transformation und ein stabiler Versicherungsmarkt, das sind unsere wichtigsten Themen im Manifest-.” Ferma führt des Weiteren Gespräche mit Organisationen außerhalb der EU, wie der OECD, zu Themen wie dem Regulierungssystem für globale Versicherungsprogramme und BEPS, erläutert Wegener.

„Fermas Rolle ist die Ergänzung und Unterstützung der Arbeit der nationalen Vereinigungen. Diese Vereinigungen sind hinsichtlich ihrer Größen und Ansätze sehr unterschiedlich. Sie haben jedoch gemeinsame Interessen, die auf europäischer und manchmal internationaler Ebene adressiert werden müssen.”

Die Vereinigungen stellen für den Verband mit ihren unterschiedlichen Ansätzen und Mitgliedschaftskriterien aber auch eine Herausforderung dar „Ich denke Verschiedenartigkeit der einzelnen nationalen Vereinigungen ist aber ein Vorteil. Historisch betrachtet stand für den GVNW in Deutschland das Versicherungsmanagement im Mittelpunkt. Andere Vereinigungen haben eine mehr auf technisches Risikomanagement oder Risiko-Engineering ausgerichtete Sichtweise. „Diese unterschiedlichen Sichtweisen sollten durch Ferma an einen Tisch gebracht werden.“

„Ein weiterer Unterschied ist die Mitgliedschaft. Ferma ist exklusiv für Risikomanager, aber einige unserer Mitgliedsvereinigungen stehen einer breiteren Sphäre von Risiko- und Versicherungsmanagement offen und haben auch Versicherungsmakler als Mitglieder. Wir berücksichtigen diese Vielfalt bei unserer Mitgliedschaft und finden Wege uns an das anzupassen, womit wir von unseren Mitgliedsvereinigungen konfrontiert werden”, sagt Wegener.

Der geplante Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) wird sich nicht auf die Mitgliedschaft der Association of Insurance and Risk Managers (Airmic) aus Großbritannien bei Ferma auswirken. „Fermas Satzung begrenzt die Mitgliedschaft nicht auf Vereinigungen in den EU-Mitgliedstaaten. So sind beispielsweise sowohl Russlands RusRisk als auch die Schweizer Vereinigung SIRM Mitglieder”, erläutert Wegener. „Wir würden uns sehr freuen, wie bislang fortzufahren und wir hoffen sehr, dass unsere Freunde in Großbritannien ebenso denken.”

Fermas Zukunft

Wegeners Vorstellungen einer digital-unterstützten Risiko- und Versicherungsbranche umfassen Themen wie Internet of Thinks (IoT), künstliche Intelligenz (AI) und Blockchain-Technologie. Ferma verfügt bereits über eine Arbeitsgruppe, die die möglichen Auswirkungen von AI auf Teile derBranche untersucht. Diese Gruppe wird beim Ferma-Forum im November einen Bericht vorstellen.

Wegener sagt, AI könnte angewendet werden, um komplexe Datensätze zu analysieren, die von Versicherungs- und Risikospezialisten genutzt werden. „Je mehr Daten Sie analysieren können, desto besser wird Ihr Verständnis der Exponierungen und der zugrunde liegenden Ursachen vermutlich sein”, sagt er.

Das Internet der Dinge hat ebenfalls das Potenzial die Schadenverhütung zu verbessern. „Beipielsweise Sensoren, die es Maschinen ermöglichen miteinander zu kommunizieren. Wenn Sie besser verstehen, wie lange eine Maschine in Betrieb ist und unter welchen Bedingungen, dann bekommt man eine sehr gute Vorstellung davon, wann sie gewartet werden muss, um Ausfällen vorzubeugen”, sagt Wegener.

Wegener fügt hinzu, dass Blockchain „den Risikotransferprozess möglicherweise signifikant verändern könnte”, indem Prozesse über die gesamte Supply Chain hinweg automatisiert werden. „Ich sage nicht, dass Risikomanager zu Software-Experten werden sollten. Ich meine lediglich, dass neue Techniken zur Verfügung stehen werden, die für ein besseres Verständnis von Risiken sowie die Durchführung des Risikotransfers nützlich sein werden.

Ein weiteres wichtiges Thema für Ferma mit dem der von Wegener geführte Vorstand sich weiter befassen wird ist Nachhaltigkeit, nicht nur aus der Perspektive der Risikoberichterstattung, sondern auch im Zusammenhang mit EU-Vorschlägen zu Regelungen im Fall von Naturkatastrophen. „Der Klimawandel wird wahrscheinlich immer mehr extreme Wetterereignisse verursachen und den Druck hinsichtlich finanzieller Lösungen seitens der EU verstärken, die auch bereits vorgeschlagen wurden. Ferma wird auch weiterhin die Perspektive von Unternehmen und kommerziellen Versicherungsnehmern vertreten und zur Diskussion über den Umgang mit Risiken beitragen.”

Eine weitere Ferma-Priorität ist die Karriereförderung und Weiterbildung von Risikoexperten. Wegener möchte insbesondere talentierte junge Leute in den Beruf locken. „Wir sind uns bewusst, dass ‘Risikomanager’ als Jobbezeichnung vielleicht nicht so sexy klingt. Damit sitzen wir mit Versicherern und Brokern im gleichen Boot. Es ist eine Herausforderung für uns alle, junge Menschen zu motivieren, eine Karriere im Risikomanagement in Betracht zu ziehen, aber es ist sicherlich möglich.” sagt Wegener. „Ich glaube, dass ihnen beispielsweise der aktuelle Schwerpunkt auf dem Management von Risiken in Bezug auf die digitale Transformation zeigt, dass es sich um einen spannenden Beruf handelt, der auch gesellschaftlich wichtige Themen adressiert.”

Die europäische Risikomanagement-Zertifizierung von Ferma, rimap, ist ein wichtigesElement bei der Stärkung der Position des Risikomanagers. Sie kann vollständig online erlangt werden, was für die Digital-Natives attraktiv sein sollte, glaubt Wegener. Er fügt hinzu: „Wir zielen darauf ab, junge Risikomanager in unsere Arbeitsgruppen miteinzubeziehen und ihnen so eine internationale Erfahrung zu bieten. Bei Ferma können sie mit ihren europäischen Kolleginnen und Kollegen arbeiten und Erfahrungen in spezifischen Themen des Risikomanagements und der Zusammenarbeit in einem internationalen Team machen. Das kann nur Ferma bieten!”