Die Nachfrage nach parametrischen Versicherungen in Deutschland wächst, nicht zuletzt weil deren Nutzen über wetterbedingte Ereignisse hinausgeht, schreiben Thomas Keist, Diretcor im Innovative Risk Solutions Team, und Bijan Daftari, Country Manager Germany bei Swiss Re Corporate Solutions

Vom Internet der Dinge (kurz IoT – Internet of Things) über Automatisierung und Sensoren hin zu künstlicher Intelligenz (kurz AI – Artificial Intelligence), von Big Data zu Smart Data, die Geschäftswelt ist technologisch so fortgeschritten wie noch nie.

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Thomas Keist, Diretcor im Innovative Risk Solutions Team, Swiss Re Corporate Solutions

 

Veraltete Systeme und Lieferketten werden digitalisiert, Herstellungs- und Produktionsstätten werden rasch zu automatisierten Fabriken, und Microchip-Sensoren beginnen Wartungsbedarf und potenzielle Störungen zu prognostizieren, bevor sie auftreten.

Diese gesamte Technologie generiert so viele Daten – Smart Data –, die tiefe Einblicke in das nächste große Risikoevent bieten können. Und die Versicherer stellen diese Daten in den Mittelpunkt ihrer innovativen Risikolösungen, sodass ihre Partner diversen Risiken wie Klima, Wetter und Naturkatastrophen gegenüber widerstandsfähiger sind.

Nehmen Sie den viel diskutierten Fall des Rheins in Deutschland als Beispiel dafür, wie Technologie und insbesondere Big Data genutzt werden können, um Verluste zu prognostizieren und abzudecken.

Der Fluss ist eine der zentralen Schifffahrtsrouten Europas und verläuft durch viele der wichtigsten industriellen Gebiete des Kontinents, zu denen jedes Jahr hunderte Millionen Frachttransporte erfolgen. 2018 wurde er für den Schifftransport unpassierbar. Was war passiert? Eine Hitzewelle in ganz Europa hatte dazu geführt, dass die Wasserstände des Rheins soweit abgesunken waren, dass Lieferketten stark beeinträchtigt wurden, was zu kostspieligen Betriebsunterbrechungen führte und Produktionen zum Stillstand brachte. Einem globalen Chemieunternehmen kostete der niedrige Wasserstand Verluste von 250 Millionen €.

Da große Summen auf dem Spiel stehen, halten viele Branchen – insbesondere Transport- und Produktionsunternehmen in Deutschland – aktiv nach innovativeren Möglichkeiten zum Risikotransfer Ausschau, um sich vor der zunehmenden Bedrohung durch niedrige und schwankende Wasserstände in Flüssen zu schützen.

Hier bilden Technologie und Daten einen erheblichen Teil der Lösung. An den Flüssen entlang angebrachte Messstationen liefern klare und gleichzeitig unabhängige Angaben zu den Wasserständen. Zusammen mit den historischen Daten dieser Messstationen können die Informationen zu einer Versicherungstriggerformel modelliert werden, um maßgeschneiderte parametrische Versicherungslösungen zu entwickeln.

Die Daten der Messstationen werden mit vordefinierten, in Zusammenarbeit mit dem Kunden festgelegten Trigger abgeglichen, um Zeitpunkt und Höhe der Auszahlung festzulegen.

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Bijan Daftari, Country Manager Germany,Swiss Re Corporate Solutions

 

Es gibt drei wesentliche Vorteile parametrischer Versicherung:

  • Erstens sind parametrische Versicherungen eine vereinfachte und transparentere Version traditioneller Versicherungen, da feste Zahlungen erfolgen, wenn die gemessenen Daten (z. B. Wasserstände) kritische Schwellenwerte erreichen oder überschreiten. Parametrische Versicherungen sind somit auf den Störfall und nicht den tatsächlichen Verlust ausgerichtet.
  • Der zweite Vorteil sind die schnellen Auszahlungen der Ansprüche. Unter einer traditionellen Versicherungspolice dauert es oftmals Monate oder gar Jahre, bis Ansprüche aufgrund von Betriebsunterbrechungen (BU) reguliert werden, da die Verluste untersucht und bestätigt werden müssen, bevor eine Auszahlungssumme vereinbart wird. Eine parametrische Versicherung verringert die Schritte bis zur Schadenzahlung. Es müssen keine Besuche vor Ort, forensischen Untersuchungen und Schadensregulierungen mehr durchgeführt werden, bevor ein Anspruch ausbezahlt wird. Wenn der Versicherungstrigger ausgelöst wird, erfolgt die Zahlung ohne Verzögerung innerhalb weniger Tage.
  • Und drittens die Sicherheit der Entschädigung. Bei traditionellen Versicherungspolicen gibt es oftmals Unklarheiten: Man weiß oft erst wie hoch die Versicherungsdeckung ist, wenn eine Verlustsituation untersucht wurde. Außerdem kann es zu Streitigkeiten über die Summen kommen. Parametrische Versicherungen machen mit diesen Unklarheiten Schluss, da alle Zahlungen vorab vereinbart werden und somit fix sind.

In der Tat ist die Nachfrage nach parametrischer Versicherung infolge der Dürre 2018 und der niedrigen Wasserstände des Rheins in Deutschland erheblich gestiegen. Anfang dieses Jahres hat Swiss Re Corporate Solutions eine parametrische Vereinbarung mit einem Flußkreuzfahrtunternehmen abgeschlossen. Und obwohl die Lösung typischerweise auf wetterbedingte Ereignisse angewandt wird – zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimarisiken –, beginnen wir zu diskutieren, wie wir das Prinzip der parametrischen Versicherung auch auf andere Risiken anwenden können.

AI, IoT, Sensoren, Automatisierung – all diese Komponenten generieren so viele Daten über alle Risiken in allen Branchen – von Maschinenausfällen hin zu Betriebsunterbrechungen ohne physischen Schaden –, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bevor man sich für Risiken auf Trigger aus Sensordaten- einigt, die über Wetterereignisse und Naturkatastrophen hinausgehen.

So lange wir sicherstellen können, dass Daten objektiv unabhängig und zuverlässig erhoben werden, können wir parametrische Versicherungen für viele komplexe Risikosituationen entwickeln.

Die Zukunft für parametrische Versicherungen ist in der Tat sehr rosig.

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